FDP auf Normalmaß zurückgestutzt

(pri) Noch im Niedergang kann die FDP von ihrer Arroganz gegenüber der Wirklichkeit nicht lassen. Sie glaubt, mit ein paar personellen Rochaden »das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen« und erkennt darüber nicht, dass das Schachbrett selbst morsch und brüchig geworden ist; in seinem derzeitigen Zustand also kein Fundament für die Zukunft darstellt. Selbst Guido Westerwelle meint, im Abgang noch Bedingungen stellen zu können; er wird lernen müssen, dass gerade in seiner »Partei der Leistungsträger« nichts so sehr zählt wie der Erfolg und nichts so vernichtend ist wie Verluste an der Wahlurne.

Für die Partei als Ganzes jedoch ist Westerwelle nur insofern ein Problem, als er als ihr Vorsitzender jene inhaltliche Ausrichtung der Partei erdachte und durchsetzte, die sie jetzt an den Rand des Abgrunds führte. Diese Ausrichtung haben freilich alle ihre Funktionäre zumindest klaglos, meist aber begeistert mitgemacht – ganz vorn jene, die sich jetzt auch wieder danach drängen, den wuchtigsten Schlag gegen den Ex-Chef zu führen. Auch jene, die jetzt den Karren aus dem Dreck ziehen sollen, waren mit Kritik am Vorsitzenden nie aufgefallen, im Gegenteil verteidigten sie ihn stets wortreich. Sie haben konzeptionell auch nichts anderes auf der Pfanne als ihr zurückgetretener Vormann; auch deshalb hat wohl keiner von ihnen Lust, sich ins Geschirr zu hängen. Denn ohne inhaltliche Umorientierung der Partei ist der Misserfolg jedes künftigen FDP-Chefs vorprogrammiert. Diese inhaltliche Umorientierung jedoch ist nicht in Sicht; sie fände in der heutigen FDP auch keine Mehrheit; insofern hat Guido Westerwelle ganze Arbeit geleistet und seine Partei in ein auswegloses Dilemma geführt.

Eine Partei der Wirtschaft und der Banken war die FDP schon immer, doch konnte sie das in der Vergangenheit nicht selten dadurch in den Hintergrund treten lassen, dass sie den erklärten Liberalismus eben nicht nur als freie Bahn fürs Geldmachen verstand, sondern auch als Wächteramt über die Bürgerrechte und als Philosophie von Chancengleichheit, was in gewissen Grenzen sogar das Soziale im Blick behielt. Diese Linie, die die FDP auch für andere als »Besserverdienende« wählbar machte, sicherte nicht nur ihre parlamentarische Existenz in mehr als 60 Jahren Bundesrepublik, sondern machte sie auch immer wieder regierungsfähig, lange sogar im Bündnis mit der SPD. Damit jedoch haben Genscher und Lambsdorff durch ihren Übertritt 1982 zu Helmut Kohl und dann die Kinkel, die Gerhardt und letztlich Westerwelle Schluss gemacht. Vor allem letzterer legte seine Partei voll und ganz auf einen wirtschaftsfreundlichen Kurs fest, sah sich dergestalt sogar als Korrektiv zur anderen Wirtschaftspartei CDU/CSU, der er den vorg3eblichen »Sozialdemokratismus« austreiben wollte.

Von dieser Position kommt die FDP so schnell nicht weg. Geradezu exemplarisch ist dafür das kollektive Schaudern fast aller ihrer Führungsleute, als in der Westerwelle-Nachfolge-Debatte der Name Leutheusser-Schnarrenberger fiel. Der von der Justizministerin vertretene Liberalismus ist der heutigen FDP-Garde zutiefst fremd; selbst wenn sie es wollte, wäre sie nicht in der Lage, ihn glaubwürdig zu vertreten. Untergehen muss sie deswegen jedoch nicht. Die »Besserverdienenden« bleiben natürlich ihre treue Wählerklientel. Sie misstrauen allen anderen Parteien mit ihrer mehr oder weniger ausgeprägten sozialen Ader – selbst der Union, bei der diese weitgehend verkümmert ist. Sie werden die FDP immer wählen und mitunter von jenen verstärkt werden, die hoffen und glauben, selbst auch einmal in diese Kategorie aufzusteigen. Besonders in krisenhaften Zeiten werden die einfachen Botschaften – wie »Steuern runter!« oder »Weniger Staat!« – gern gehört; darauf beruhte letztlich der paradoxe Wahlerfolg der FDP 2009. Paradox deshalb, weil es ja gerade die von der FDP kolportierten Parolen von der Entfesselung der Märkte und der Finanzbranche waren, die bei der Krise im Jahr zuvor Pate gestanden hatten. Die Illusion trug nur wenige Monate und ist jetzt restlos aufgebraucht – eine Warnung übrigens auch an andere Parteien mit hochfliegenden Wahlresultaten – die aus anderer Krisenverunsicherung herrühren – und daraus leicht entstehenden Hochgefühlen.

Die FDP ist auf ihr Normalmaß zurechtgestutzt. Bei Bundestagswahlen erreichte sie zumeist Ergebnisse um die sieben oder acht Prozent, nur fünfmal schnitt sie zweistellig ab, was aber nie Bestand hatte. Ihr niedrigstes Resultat lag knapp unter sechs Prozent; dort etwa würde sie sich wohl derzeit einpegeln, vielleicht auch etwas niedriger wegen des Westerwelle-Faktors. Von besonderer Bedeutung für die deutsche Politik ist das nicht, weshalb auch Angela Merkel nicht in Panik ausbricht. Nach dem, was die Demoskopie derzeit verbreitet, hat sie mit der SPD auch künftig einen sicheren Juniorpartner – und im übrigen sind sie und ihre Partei längst dabei, die Grünen ins eigene Lager zu locken. Mit gar nicht so schlechten Erfolgsaussichten.

One Reply to “FDP auf Normalmaß zurückgestutzt”

  1. Immerhin macht der nach diversen gescheiterten Reformversuchen auf nahezu allen wichtigen Politikfelder arg in Verlegenheit geratene Wahlbürger mit seinem derzeitig deutlich zum Ausdruck gebrachten „Liebesentzug“ den selbsternannten FDP-Liberalen gegenüber sozusagen einen kleineren erkenntnismäßigen Fortschritt, indem nun „grün“ gewählt wird. Aber ist Grün damit gleich als neue politische Farbe der Hoffnung auf nachhaltige Besserung zu bezeichnen? Die Agenda-Grünen sind noch immer politisch am Mitwerkeln.

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