Die Furcht der EU vor dem Störfaktor Volk

(pri) Da soll doch tatsächlich in Griechenland das Volk befragt werden, was es von der Politik hält, die ihm von seiner Regierung und dieser wiederum von den EU-Exekutoren vor allem aus Deutschland und Frankreich verordnet wurde – und schon haben unsere mit dem Maul so famosen Demokraten ein großes Problem. Demokratie heißt bekanntlich Volksherrschaft, aber so ist sie seit langem nicht mehr gemeint. Immer wenn Völker wirklich auf ihr Herrschaftsrecht pochen, ob in der arabischen Welt, bei der UNESCO oder eben in Griechenland, ruft das westliche Establishment zu den Waffen. In seinen Augen ist das Volk längst zu einem gefährlichen Störfaktor geworden, den es auszuschalten gilt.

 

Sehr anschaulich kann man am Beispiel Griechenlands studieren, wie schnell der Volkswille, also das genuine demokratische Prinzip, auf den Kehrichthaufen geworfen wird, sobald die Interessen der Wirtschaft, vor allem das Finanzkapitals tangiert sind. Da wird der Ministerpräsident eines eigentlich gleichberechtigten EU-Landes »herbeizitiert«, um ihm »die Leviten zu lesen«. Beim von Papandreou geplanten Referendum wird ihm nicht nur der Termin diktiert, sondern auch noch die Fragestellung. Nicht nach der Zustimmung zum Rettungspaket für Banken und Spekulanten, das die Griechen mit existenzbedrohenden Einschnitten in ihre sozialen Standards bezahlen sollen, darf gefragt werden, sondern danach, ob das Land weiter zu Europa gehören wolle. Eine Totschlags-Fragestellung ähnlich jener, mit der einst in der DDR die Zustimmung zu jeder noch so fragwürdigen Einzelmaßnahme mit dem »Argument« erzwungen wurde, man sei doch wohl auch für den Frieden.

 

Der Protest des griechischen Finanzministers gegen diese von Merkel und Sarkozy erzwungene Korrektur des Athener Kabinettsbeschlusses wird sogleich gegen den Ministerpräsidenten gewendet, um ihn zum Rücktritt zu zwingen, wobei nicht der Hinweis fehlt, dann sei das Referendum »vom Tisch«. Papandreou lehnte das ab, kann sich aber eine Übergangsregierung aus Fachleuten vorstellen. Auch für den Fall wissen die wirtschaftshörigen Politiker und ihre medialen Hilfstruppen bereits, dass dann das Referendum hinfällig würde. Darüber bricht die Börse in Jubel aus. Nach ihrem Einbruch nach Bekanntgabe des Referendums führten allein die Gerüchte von Papandreous Rücktritt bereits zu einen Aufschwung

 

Alles ist möglich in Griechenland, nur eins nicht – dass das Volk über seine eigenen Belange mitentscheidet.

3 Replies to “Die Furcht der EU vor dem Störfaktor Volk”

  1. Recht hast du, was die Reaktionen der etablierten europäischen Politik auf die Referendums-Absicht betrifft.
    Aber bei Papandreu habe ich nicht den Eindruck, dass es ihm hauptsächlich um die hehre Demokratie geht. Wenn das so wäre, hätte er nämlich viel früher sein Volk sehr viel gründlicher über diesen sehr komplizierten Sachverhalt (der ja für Otto Normalbürger und Lieschen Müller ohne VWL-Studium sehr schwer zu durchblicken ist) aufklären müssen. Jetzt scheint ihm angesichts der immer stärker werdenden Proteste die Sache über den Kopf zu wachsen, und er wirft dem Volk den Ball zurück: „So dann sagt mal selber, was ihr wollt“.
    Ich hoffe ja trotz allem, dass das Referendum durchgeführt wird (heute abend scheint es nicht ganz so) – aber dann muss wirklich eine handfeste Volks-Unterrichtungs- (und nicht wahlkampfmäßige Volksverdummungs-)Kampagne her!

  2. @ eule70
    Natürlich hat Papandreou taktiert, um an der Macht zu bleiben – und er hat ja auch bisher alles abgenickt, was ihm aus Berlin und Paris via Brüssel diktiert wurde, einschließlich zuletzt die Referendums-Rücknahme. Vielleicht aber sieht er dennoch deutlicher als mancher andere nicht nur die Gefahr für sich und seine Regierung, sondern für das herrschende System im Lande überhaupt. So wie auch solche diese Gefahr inzwischen grundsätztlich erkennen, die bisher ebenfalls nicht gerade als Vorkämpfer einer Volksherrschaft in Erscheinung traten:

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/der-griechische-weg-demokratie-ist-ramsch-11514358.html#Drucken

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/euro-krise-rettet-die-wuerde-der-demokratie-11517735.html

  3. Und sowas steht in der FAZ? Donnerwetter, besonders der erste Artikel.
    Aber na ja, im Feuilleton. Das kenne ich von meiner FR: die guten politischen Artikel sind ins Feuilleton verbannnt….

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