Beate Klarsfeld gegen Joachim Gauck – Antifaschistin gegen Antikommunist

(pri) Da war nur ein kurzes Zögern, dann hatte die Linkspartei mit der Nominierung Beate Klarsfelds als Herausforderin des vom politischen Mainstream gesetzten Bundespräsidentenkandidaten Joachim Gauck eine so souveräne wie zeitgemäße Entscheidung getroffen und zugleich einmal mehr schlagartig klargemacht, um wieviel wichtiger der etablierten Politik von CDU/CSU und FDP über die SPD bis zu den Grünen der Kampf gegen jede Systemveränderung ist als der Widerstand gegen rechtsextremistische Tendenzen bis hin zum Wiederaufleben des Nationalsozialismus. Deren schnelles und euphorisches Votum für den erklärten Antikommunisten Gauck war eine eindeutige Botschaft, die noch dadurch an Gewicht gewinnt, dass die Antifaschistin Klarsfeld bis heute ein bevorzugtes Feindbild der Konservativen abgibt und auch – das zeigte ihre faktische Ignorierung durch SPD und Grüne – dem rot-grünen Lager im innersten Herzen ziemlich verdächtig ist.

 

Denn Beate Klarsfeld ließ sich niemals auf ideologische Festlegungen ein. Was sie tat, tat sie stets im eigenen Auftrag, und sie ließ sich darin auch nicht dadurch beirren, dass manche ihrer Helfer mit der Unterstützung ganz eigene Ziele verfolgten. Für sie zählte nur die Sache, und da verrät es viel über den Zustand dieses Landes, dass es die Linke war, die sich jenseits aller ideologischen Bedenken für Beate Klarsfeld entschied, während vor allem die regierenden Unionsparteien stur in den Gräben des kalten Krieges verharren. Sie sehen nicht einmal, wie das, was sie der Antifaschistin vorwerfen, unmittelbar auf sie zurückschlägt, denn gerade weil Klarsfeld in der Bundesrepublik stets verfolgt und ausgegrenzt wurde, musste sie sich Hilfe anderswo suchen – und sie fand sie beinahe überall und über zwischen ihren Unterstützern durchaus bestehende ideologische Grenzen hinweg. Nur die alte Bundesrepublik sah und sieht in ihr bis heute den Feind, der zu bekämpfen, zumindest aber totzuschweigen ist. Auch deshalb ist die Initiative der Linkspartei verdienstvoll; mit der Kandidatur verschaffte sie Beate Klarsfeld viel mehr Aufmerksamkeit in Deutschland, als sie je durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes hätte erwarten können.

 

Auf der anderen Seite Joachim Gauck, der konsequente Vertreter der Totalitarismus-Doktrin, mit der Nationalsozialismus und DDR-Sozialismus gleichgesetzt werden – ungeachtet dessen, dass der eine Berge von Leichen, der andere hingegen nur Berge von Akten hinterließ. Diese Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen hat auch bei vielen, die einer Sympathie für den Sozialismus völlig unverdächtig sind, Kritik ausgelöst; sogar von einer Verharmlosung des Holocaust wird gesprochen. Doch nicht nur seine Geschichtssicht, auch seine Philosophie ist von militantem Antikommunismus, den schon Thomas Mann die »Grundtorheit unserer Epoche« nannte, geprägt, auch sein Freiheitsbegriff. Denn für ihn beschränkt sich Freiheit auf Freiheit von Systemveränderung, von politischer Alternative zum Kapitalismus und natürlich von jeder Art von Kommunismus. Wer genau dies vertritt, ist in seinen Augen die Freiheit nicht wert und sollte – so hat er vor den Bundestagsabgeordneten der Linkspartei erklärt – durchaus vom Verfassungsschutz überwacht werden. Dass es Menschen geben könnte, für die Freiheit vor allem eine Freiheit von sozialer Ausgrenzung, von Existenzangst, von Armut ist, dafür hat er kein Gespür.

 

Joachim Gauck wird kommenden Sonntag zum Bundespräsidenten gewählt. Was wir dann von ihm zu erwarten haben, ist ungewiss vor allem deshalb, weil er es in seinem Leben auch immer verstanden hat, ungeachtet seiner inneren Überzeugung ein ausgleichendes Verhältnis zu seiner Umwelt herzustellen. Am deutlichsten ist das in der DDR geworden, wo es seitens der staatlichen Organe einschließlich des MfS genügte, ihn als Verantwortlichen für den Kirchentag 1988 in Rostock ernst zu nehmen, um ihn zu einer »konstruktiven Haltung« zu bewegen. Danach schloss die Stasi sogar seine Akte, sei doch »ein maßgeblicher Beitrag zur Disziplinierung von Larve (Gaucks Deckname – d. Verf.) erreicht«. Man schätzte im November 1988 ein, »dass von ihm derzeit keine Aktivitäten ausgehen werden, die eine weitere Bearbeitung im OV erforderlich machen«. Und tatsächlich blieb Gauck danach still – bis einen Tag nach der Entmachtung Erich Honeckers.

2 Replies to “Beate Klarsfeld gegen Joachim Gauck – Antifaschistin gegen Antikommunist”

  1. Ja, ich bin wirklich gespannt, ob Gauck mal über seinen verengten Freiheitsbegriff hinausgehen wird und ein paar wichtige Impulse geben wird. Ich erwarte mir nichts von ihm. Ich wäre schon froh, wenn er wenigstens auf der Wulffschen Linie von Toleranz, Antirassismus und Kritik am Finanzkapital weitermachen würde.

    Was Klarsfeld betrifft, so ist sie als aussichtslose Kandidatin sicher sehr ehrenwert, aber als wirkliche Bundespräsidentin wäre sie doch eine Katastrophe – von der etablierten Politik und ihrem Mitarbeiterstab verarscht und verheizt, nach der ersten unbequemen Rede schlimmer gejagt als Wulff. Da bin ich auch noch gespannt, wie der praktisch-politisch auch eher unbedarfte Gauck durchkommen wird. Allerdings sind von dem wohl keine sehr unbequemen Reden zu befürchten…

  2. Gaucks von der STASI in Rostock sicher akribisch dokumentierter Lebensweg vom (intern) aufmüpfigen Regimegegner zum folgsamen (ab 1988) „Insassen“ (O-Ton Gauck) des abgeschafften Landes wäre sicher eine interessante Lektüre – wenn es die Dokumente noch gäbe. Auch über die Eltern Gauck, überzeugte NSDAP-Mitglieder schon vor 1933. hat die STASI sicher Dossiers angelegt. Niemand wird sie mehr finden. Schluss jetzt! Heute, 12 Uhr, wird der Wandelbare gewählt sein. Ab dann ist alles Präsidentenbeleidigung, was kritisch nachgefragt werden könnte. Punkt. Ende.

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