Für das Recht auf Arbeit in bayerischen Abgeordnetenfamilien

(pri) Gerüchte besagen, in München habe heute zusätzlich zur offiziellen des DGB eine ganz spezielle Maidemonstration stattgefunden. Etwa zwei Dutzend Landtagsabgeordnete verschiedener Parteien sollen für das Recht auf Arbeit auf die Straße gegangen sein – für das Recht auf Arbeit ihrer näheren oder ferneren Verwandten, das dieser Tage durch übelwollende Neidhammel in ehrverletzender Weise beschnitten werden soll. Nach unbestätigten Berichten trugen die Demonstranten zwar keine roten, stolz aber zahlreiche weiß-blaue Fahnen mit sich. Und eine Reihe in liebevoller Kleinarbeit gefertigter Transparente und Plakate, mit denen sie leidenschaftlich für das Menschenrecht auf Arbeit warben, das gerade und zuerst in der kleinsten Zelle der Gesellschaft, der Familie, durchgesetzt werden müsse.

 

An der Spitze soll der CSU-Abgeordnete Georg Winter, bislang Vorsitzender des Haushaltsausschusses des bayerischen Landtags marschiert sein. »Alle Kraft für meinen Haushalt« stand auf seinem Spruchband. Er hatte in selbstloser Weise dafür gesorgt, dass nicht nur seine Frau, sondern auch seine beiden Söhne ihr Recht auf Arbeit ausüben konnten. Letztere gewöhnte er beizeiten an den eigenen Broterwerb. Sie waren erst 13 und 14 Jahre, als er sie 2000, ganz kurz vor dem Verbot eines solchen segensreichen Arbeitsmarktinstrumentes, in seine Dienste nahm.

 

Gleich neben ihm sei Georg Schmid gesichtet worden, vor ein paar Tagen noch Vorsitzender der CSU-Fraktion im Landtag, der 23 Jahre lang seine Ehefrau vor demütigender Arbeitslosigkeit bewahrt und sie auch nicht mit einem Minilohn abgespeist hatte. Zwischen 3500 und 5500 Euro im Monat sicherten ihr ein sinnvolles Dasein.Er hatte in seinem längst zum IT-Büro ausgebauten Hauskeller noch ein altes Wahlplakat gefunden, das – sorgsam entstaubt – nun zu neuen Ehren kam: »Gute Arbeit, gutes Geld! Wählt CSU«

 

Gleich hinter ihm Eberhard Rotter; auch er hatte nach der treffenden Wahlkampflosung seiner Partei gehandelt und seine Frau, seit 23 bei ihm bzw. beim aus Steuergeld finanzierten Landtag angestellt, nicht im Niedriglohnbereich bezahlen wollen. 1200 Euro netto erhielt sie für 25 Wochenstunden; da kommt brutto ein erklecklicher Stundenlohn zusammen. Kündigen werde er ihr nicht, erklärte Rotter unter dem lautstarken Beifall der Demonstranten, schließlich seien auch Kündigungsfristen einzuhalten. Und wenn es ein neues Gesetz gebe, »dann wird man neu überlegen müssen«. In Armut will er jedenfalls seine Frau auch dann nicht stürzen lassen.

 

Max Strehle, ebenfalls CSU, nickte nach Augenzeugenberichten dazu. Seine Frau Gitti hatte er 1982 in den Landtag mitgebracht – als Sekretärin. Das ist sie noch heute, aber was sie verdient, wollte er nicht sagen. Verschämt murmelte er nur: »Den größten Teil der Pauschale habe ich nicht in Anspruch genommen.« Es tat ihm wohl leid, seine Gitti nicht besser ausgestattet zu haben.

 

Diesen Vorwurf muss sich Gerhard Eck, Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, nicht machen. Er zahlte zwar »nur« netto 750 Euro im Monat, aber für »Überbrückungs- und Aushilfstätigkeiten« sei das durchaus angemessen, fanden die Demonstranten, müssen doch Niedriglöhner mit einem Vollzeitjob oft mit weniger vorlieb und deshalb das Sozialamt in Anspruch nehmen. Beim Landtagsabgeordneten Eck nicht, er hat »das immer ordentlich gemacht«.

 

Mehrere Demonstranten hatten sich nach Hörensagen hinter einem Transparent über die ganze Straße versammelt: »Job-Killer zerstören bayerische Familienbande!« Hier demonstrierten jene, die – genötigt von neidzerfressenen Populisten – bereits aus Steuermitteln gut dotierte Arbeitsstellen streichen mussten, wie der bayerische Kulturminister Ludwig Spaenle, Finanzstaatssekretär Franz Josef Pschierer, die CSU-Abgeordneten Walter Nadler und Eduard Nöth. Pschierer immerhin fand den Mut, einen dieser skrupellosen Arbeitsplatzzerstörer zu benennen – den Parteinforscher Hans Hermann von Arnim. Er habe dessen aktuelles Buch zur Kenntnis genommen und sich danach zu einer Kurskorrektur entschlossen und seine Frau entlassen.

 

Dem Volksvertreter Peter Schmid kündigte gar die Frau selbst; sie habe bis 2011 nur 350 Euro und seither »1500 Euro insgesamt« bekommen und wolle sich nicht sagen lassen, das Geld zu Unrecht eingestrichen zu haben. Völlig zu Recht verwahrte sich Erika Görlitz (CSU) gegen die familienzerstörerische Kampagne unchristlich-unsozialer Elemente: »Also ich seh‘ jetzt in Verwandten nicht unbedingt was Schlimmes. Ich weiß nicht, warum man Familien immer diskriminieren muss, warum des so schlimm ist, also wir haben in Bayern halt noch stabile Familien.«

 

Dazu soll die Abgeordnete für Pfaffenhofen und Schrobenhausen sogar Beifall aus Kempten erhalten haben, vom dortigen grünen Parlamentskollegen Thomas Gehring, der sich von seinem Bruder für insgesamt 8779 Euro aus der Staatskasse die Homepage erstellen und warten ließ. »Wenn mein Bruder eine Bäckerei hat, dann würde ich bei meinem Bruder Semmeln kaufen und nicht beim Nachbarn«, sagte er und verwahrte sich auch gegen jede Verletzung des Datenschutzes, indem er die genaue Höhe der brüderlichen Zuwendungen nicht offenlegte: »Ich rede hier über jemanden, der ein Unternehmen hat, und über dessen Einkünfte rede ich mit Ihnen nicht …«

 

Leider waren nicht alle bayerischen Landtagsabgeordneten so solidarisch mit ihren CSU-Kollegen und blieben der Kundgebung für gleiches Arbeitsrecht für alle in München demonstrativ fern. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, hatte zwar dankenswerterweise seinen Schwager für 2600 Euro als Büroleiter in Lohn und Brot gebracht, mochte aber mit den CSU-Kollegen nicht verglichen werden: »Es ist vielleicht für einen Außenstehenden im Großen und Ganzen das Gleiche, aber es ist doch ein Unterschied, ob man die direkt Blutsverwandten, ob man seine Eltern und Kinder anstellt oder einen angeheirateten Schwager.«

 

Und die beiden SPD-Volksvertreterinnen Susann Biedefeld und Maria Noichl schüttelten sich gar vor Ekel. Biedefeld, die bei ihrer Schwester erfolgreiche, aber auch so diskrete Arbeitsmarktpolitik betrieb, dass sie über ihr Einkommen nichts verlauten ließ, setzte sich entschieden ab: »Ich lass mich nicht in den Sumpf mit reinziehen, den 17 CSU- Abgeordnete und ausschließlich CSU-Abgeordnete angerichtet haben. Damit lass ich mich nicht vergleichen, ich habe mir nichts vorzuwerfen.« Und Noichl, deren Bruder ihr Wahlbüro in Rosenheim leitete, fiel den wackeren CSU-Arbeitsbeschaffern gar in den Rücken: »Wenn Sie versuchen, die völlig legalen Arbeitsverhältnisse mit Geschwistern in die Nähe dieser „schwarzen Brut“ zu rücken, arbeiten Sie für sie.«

 

Auf ihrer Facebook-Seite setzte sie noch eins drauf: »Georg Schmid geht. Der schwarze Sumpf bleibt. Bayern, du hast BESSERES verdient!« Mit dieser unsolidarischen Haltung wurde wieder einmal die Chance verpasst, für das Anliegen der Vollbeschäftigung alle Kräfte zu bündeln. Obwohl sich im bayerischen Landtag die wahren Arbeiterführer unter der alten Losung »Sozial ist, was Arbeit schafft«  in der Praxis längst zusammengefunden hatten, verhinderte überflüssiges Parteiengezänk die kraftvolle Demonstration für ein wichtiges Anliegen der weiß-blauen Familie auf der Straße. Tatsächlich, Bayern hat BESSERES verdient!

One Reply to “Für das Recht auf Arbeit in bayerischen Abgeordnetenfamilien”

  1. Endlich haben wir nun das „Recht auf Betreuungsgeld“ verstehen gelernt. Eine Maßnahme zur Festigung familiärer Beziehungen – die im Freistaat Bayern in langer Tradition vorrangig gepflegt werden, als „Familienbande“. Auch der Begriff vom „Familiengeheimnis“ erscheint nun viel einleuchtender. Klerikal-konservativ zu sein, hat eben etwas intimes, besonders in „Heidis Bergen“ unter blau-weißem Himmel – wo im Beichtgeheimnis das höchste Treueversprechen liegt …
    Die härtere Wirklichkeit eines Wahljahres hat die Lederhosen-Amigos aus den Euro-Träumen aufgeweckt. Doch die Aufregung wird sich bald legen. Jeder kennt hier Jeden im Kreis der „Betroffenen“, über Parteigrenzen hinweg. Das erzeugt unauflösliche Bindungen … Rückzahlung vielleicht – doch die „erworbenen“ Renten-Punkte oder Pensionsansprüche bleiben für einen schönen gemeinsamen Lebensabend erhalten: Mir sa`n mir !

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