Die SPD vor dem Sonnenuntergang

(pri) Die Saat der Rechtslastigkeit ist nun auch in der deutschen Sozialdemokratie aufgegangen. Wie der kaukasische Riesenbärenklau erstickt sie alle zaghaften Pflänzchen einer Rückkehr zum Kurs der sozialen Gerechtigkeit, der Interessenvertretung für die Armen, die Schwächsten der Gesellschaft, zu einem Linkskurs also, der diesen Namen verdient.

Anfällig war die SPD stets für die Verlockungen der Macht. Um im kapitalistischen System regieren zu können, schloss sie beizeiten Kompromisse – stets mit der Begründung, auf diese Weise zwar nicht das Optimale, aber doch wenigstens etwas für ihre Klientel der eher Schlechterverdienenden herauszuholen. Dieser Opportunismus wurde zum Markenzeichen der Sozialdemokratie; dem Sozialismus, wie er noch in ihren Gründungszeiten beschrieben worden war, schwor sie ab.

Das konnte noch einigermaßen gelingen, solange auf der Weltbühne zwei Systeme miteinander rangen, es also eine Alternative zum Kapitalismus gab, die diesen zu einer vorsichtigen Gangart zwang, ihn hinderte, sein Raubtiergebaren ungehemmt ausleben zu können. Als der Sozialismus, der bei allen seinen Defiziten immerhin zu dieser partiellen Zähmung des Kapitalismus taugte, zusammenbrach, verlor der sozialdemokratische Opportunismus sein Hinterland und mutierte unaufhaltsam zum willigen Koalitionär des Neoliberalismus.

Sichtbar wurde dies vor allem in Gerhard Schröders Schulterschluss mit seinem antisozialen britischen Pendant Tony Blair, der daraus folgenden Agenda-Politik samt Kaltstellung Oskar Lafontaines. Die damit einsetzende massenhafte Abkehr einst sozialdemokratischer Wähler von ihrer Partei veranlasste die SPD nicht zu einem Kurswechsel, der damals noch möglich war; vielmehr dienten sich die führenden Sozialdemokraten von Müntefering über Steinmeier zu Steinbrück unter der Losung »Opposition ist Mist« nun auch politisch dem neuen Trend an und stützten in der großen Koalition den Umbau des von ihnen lange beschworenen Sozialstaats zu einer unsolidarischen Gesellschaft, in der Arm und Reich immer weiter auseinander klaffen, wo immer weniger allein von ihrer Hände Arbeit leben können, ihre Wohnung bezahlen können. Immer mehr wurden zu unwürdig ausgeforschten und gedemütigten Almosenempfängern – und damit anfällig für politische Kräfte, die im vorigen Jahrhundert schon einmal nicht zuletzt aus der Enttäuschung und Unzufriedenheit solcher »Abgehängten« eine Machtbasis zimmerten, die in Terror und Krieg endete.

Die langen Jahre des Regierens an der Seite eines dominanten konservativen Partners, für den das Soziale nur insoweit von Bedeutung war, wie es der eigenen Machtsicherung diente, veränderte die SPD grundlegend. Sie wurde zwar nicht in jeder einzelnen ihrer Forderungen – wie Union, FDP und zunehmend die Grünen – aber doch in ihren Grundzügen zu einer Partei, die unter der Losung »Wenn es der Wirtschaft gut geht, profitiert auch der Arbeiter davon« immer mehr auf einen unternehmerfreundlichen Kurs einschwenkte und die Interessen der eigenen Klientel hintanstellte. Die führenden Köpfe der SPD vertreten derzeit in ihrer Mehrzahl politisch wie ökonomisch Positionen, die eher nach rechts als nach links tendieren.

Auch die Kanzlerkandidaten der SPD nach Schröder gehörten zu ihnen, und ihre Niederlagen waren deshalb im Grunde schon mit ihrer Bestellung besiegelt. Dass Martin Schulz anfangs versuchte, solcher Unausweichlichkeit dadurch zu entgehen, dass er sich ein linkes Mäntelchen umhängte, war für die rechte Führungselite der Partei schon zu riskant; schnell legten sie ihn auf ihre Linie fest – mit den bekannten Folgen. Ähnliches würde sich jetzt wiederholen, wenn bei der Vorsitzendenwahl tatsächlich ein linkes Tandem oder eine linke Einzelperson die Oberhand gewinnen sollte. Zu stark ist inzwischen in der SPD der Einfluss jener, die deren Rechtskurs bestimmen, als dass noch Hoffnung auf ihre Rettung besteht. Mit dem Verlust ihrer letztlich auf Marx und Engels zurückgehenden Programmatik hat sie auch ihre Massenbasis verloren. Auf die Partei, die einst ihre Anhänger »zur Sonne, zur Freiheit« führen wollte, wartet nur noch der Sonnenuntergang.

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