Das Ende der Merkel-Legende

(pri) Jahrelang wurde Angela Merkel als Führungstugend nachgesagt, sie denke ihre Entscheidungen immer vom Ende her, sei also besonders weitsichtig und vorausschauend. Diese Zuschreibung, die eigentlich nie so richtig gestimmt hat, dementierte sie nun selbst auf eindrucksvolle Weise. Die Rücknahme des Ruhezeitdekrets über die Osterfeiertage ist eine persönliche Bankrotterklärung.

Und es ist eine Folge ihres »alternativlosen« Politik-Managements, das davon ausgeht, alles sei machbar, was sie für richtig erachtet, ohne selbst für die Umsetzung des Beschlossenen zu sorgen. Dabei ist nicht in Abrede zu stellen, dass in der Vergangenheit viele ihrer Entscheidungen durchaus richtig waren; was allerdings schon da fast durchweg fehlte, war das persönliche Engagement für ihre Realisierung. Sie überließ dem Selbstlauf, was aus den Beschlüssen wurde. Das führte stets zu Problemen, die dann nur mit Mühe zu bewältigen waren oder aber mehr oder minder die ursprüngliche Entscheidung in ihr Gegenteil verkehrten – wie ganz besonders gravierend in der Frage des Umgangs mit Flüchtenden.

Damit glaubte die Kanzlerin leben zu können, wenn auch schon damals das Vertrauen in ihre Führungsfähigkeit zu schwinden begann. Ihre Entscheidung, sich nicht noch einmal zur Wahl zu stellen, dürfte auch darin begründet gewesen sein. Dennoch holte sie das Schicksal kurz vor ihrem Abgang noch ein, denn die Krise um das Covid-19-Virus war mit ihrem Modell des Regierens nicht zu meistern. Corona ließ sich durch den Merkelschen Voluntarismus nicht besiegen, sondern stellte die Regierung vor immer neue Herausforderungen, auf die sie bis heute keine wirksame Antwort fand.

Begonnen hatte es vor einem Jahr mit dem totalen Unvorbereitetsein auf eine solche Pandemie, obwohl bereits seit 2012 ein diesbezügliches Szenario existierte, das jedoch nicht ernst genommen wurde. Folglich blieb nur ein Rückzugsgefecht in Form des Lockdowns im vergangenen Frühjahr, dem nach einem gewissen Erfolg konkrete Maßnahmen zu einem künftigen Leben mit dem Virus hätten folgen müssen. Ideen, Vorschläge dazu gab es von Anfang an und dann immer mehr, doch die Regierungen des Bundes und der Länder ignorierten sie weitgehend und wählten den bequemeren Weg des Nichtstuns – in der Hoffnung, die Gefahr sei gebannt. Sie verzichteten auf aktive Maßnahmen gegen Covid-19 oder verschleppten diese – ob bei der Nachverfolgung, später beim Testen oder Impfen.

Stattdessen die fast alleinige Orientierung auf den passiven Rückzug vor dem Virus, wohl um es »auszuhungern«, was schon wegen seiner globalen Verbreitung nicht gelingen kann; das Auftreten immer neuer Mutationen zeigt das mit aller Deutlichkeit. Das Ruhezeitdekret für Ostern war dabei der dilettantische Höhepunkt, zudem zustande gekommen auf beinahe machiavellistische Weise, indem eine übermüdete Runde nächtens mit einem völlig neuen und kaum auf seine Machbarkeit prüfbaren Vorschlag überrumpelt wurde. Insofern waren Angela Merkels Rückzug und ihre Entschuldigung nun tatsächlich alternativlos. Vertrauen kann sie aber nur zurückgewinnen, wenn dem Canossagang jetzt endlich ein zukunftsweisendes Konzept für die aktive Bekämpfung der Pandemie folgt, wonach es derzeit noch nicht aussieht.

Zwar haben wir dieser Tage das endgültige Ende der Merkel-Legende erlebt, doch beruhigend ist das nicht, denn damit ist die Krise noch lange nicht ausgestanden – eher droht das Gegenteil.

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