Das Scheitern der Konfrontationspolitik

(pri) Was wir gegenwärtig erleben, ist das Scheitern einer von den dominierenden imperialistischen Staaten zwangsläufig betriebenen Konfrontationspolitik. In der Ukraine stieß der expansionistische Westen mit Russland auf einen anderen entschlossenen Imperialisten, der von vornherein im Vorteil war und diesen nun unbeirrbar und zielstrebig ausspielt – mit einer ständig steigenden Zahl von Toten auf beiden Seiten. In der arabischen Welt muss der Westen zur Kenntnis nehmen, dass selbst eine bis über die Zähne hochgerüstete Macht letztlich ohnmächtig ist, wenn sie die Hoffnungen und Interessen der Völker missachtet – auch hier ist das Resultat Tausende von Toten auf beiden Seiten.

Die von der Ukraine seit Monaten versprochene Großoffensive gegen die russischen Invasoren wird gegenwärtig offenbar durch eine russische Offensive an den östlichen Grenzen des Landes abgelöst; Frieden verspricht keine der beiden Militäroperationen, denn wenn Nachbarn miteinander kämpfen, weckt jeder Sieg Revanchegelüste, die früher oder später in einen neuen Waffengang münden. Wenn hier Gewalt ein Ergebnis zeugt, führt es zu nichts anderem als einem ewigen Krieg.

Wie kaum eine andere Region steht hierfür der Nahe Osten als Menetekel an der Wand. Seit 1948, als auf palästinensisch besiedeltem Boden der Staat Israel ausgerufen wurde, gab es zwischen Mittel- und Totem Meer, Golan-Höhen und der Wüste Negev kaum einen Tag ohne kriegerische Feindseligkeit. Die Opfer dieser ständigen Auseinandersetzungen sind kaum noch zählbar – trotz des Versprechens des israelischen Staates, nach dem Holocaust für alle Juden einen sicheren Ort zu schaffen. Dieses Versprechen konnte nicht erfüllt werden, denn es beruhte letztlich auf Gewalt gegen andere, die auch hier zu einem ewigen Krieg führte.

Wenn jetzt von der israelischen Propaganda das Massaker der Hamas dem Holocaust gleichzusetzen versucht wird, soll der entscheidende Unterschied zum faschistischen Ausrottungsfeldzug gegen die Juden ausgeblendet werden: Der traf damals Unschuldige, die allein ihrer Religion wegen ermordet wurden. Heute gibt es auch auf israelischer Seite Schuldige – jene nämlich, die sich nicht um gute Nachbarschaft, um einen fairen Ausgleich der Interessen mit den angestammten Bewohnern des »heiligen Landes« bemühten, sondern sie im Gegenteil immer stärker ausgrenzten und entrechteten. Das rechtfertigt nicht die Grausamkeiten der Hamas gegen Zivilisten, erklärt aber deren Unterstützung durch viele Palästinenser, denn diese hatten niemand anderen mehr, der sich um ihre Belange kümmerte als die Hamas. Im Gegenteil, ihre totale Isolierung war das Ziel US-amerikanischer Politik, die den Schulterschluss konservativer autokratischer arabischer Eliten mit der rechtsextremistischen Regierung Netanjahu über die Köpfe der Palästinenser hinweg betrieb.

Schuldig machten sich also auch die westlichen Staaten, die in beiden Fällen – in Osteuropa wie im Nahen Osten – militärischer Gewalt den Vorzug vor dem Bemühen um gute Nachbarschaft und damit um politischen Ausgleich gaben. Sie verhielten sich nicht anders als die jeweiligen Konkurrenten, Russland und die radikalen Palästinenser und ihre ebenso radikalen Unterstützer.

Dabei hatte es zumindest in Europa Hoffnung gegeben, dass der Kopf, also Vernunft, an die Stelle der Faust, also von Gewalt, treten könne. In den 1970/1980er-Jahren führte trotz Kaltem Krieg zwischen dem kapitalistischen Westen und dem sozialistischen Osten geduldig betriebene Annäherungspolitik, das Suchen nach Kompromissen, die für beide Seiten annehmbar, sogar gewinnbringend waren, zu einer Vielzahl von Abkommen und damit spürbarer Entspannung. Sie brach sogar das verkrustete System eines wenig attraktiven Sozialismus auf und eröffnete dadurch neue Horizonte friedlichen Zusammenleben in einem »gemeinsamen Haus Europa«.

Doch diese Chance wurde verspielt. Der Westen sah sich als »Sieger der Geschichte« und säumte nicht, den Erfolg zum eigenen Nutzen auszubauen. Der Osten mutierte zum kapitalistischen Nachahmer und schlug sich zum Teil flugs auf die Seite der Sieger, wurde zum anderen Teil aber zum neuen imperialistischen Player, der schnell lernte, wie man Großmachtgebaren zur Geltung bringt, nämlich vor allem durch Gewalt.

Auch im Nahen Osten gab es zahlreiche Versuche, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen. Sie scheiterten alle, weil es ganz offensichtlich zur DNA des Kapitalismus gehört, die ihn antreibende Konkurrenz in Konfrontation umschlagen zu lassen; eine Gesetzmäßigkeit, der sich letztlich alle politischen Akteure dieses Systems unterwerfen. Vielleicht sogar unterwerfen müssen, um in diesem System zu bestehen.

Für die Zukunft lässt dies wenig Gutes erwarten; die jüngste Entwicklung zeigt vielmehr, dass es immer schwerer fällt, das Wirken dieser Gesetzmäßigkeit unter Kontrolle zu halten. Die zwanghaft betriebene Konfrontationspolitik entwickelt eine Eigendynamik, die letztlich alle ins Verderben führen kann.

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