(pri) Die Ukraine ist auf dem Weg in den Frieden. Wie lange dieser Weg zwar dauert, ist ungewiss und hängt nicht unwesentlich davon ab, inwieweit die Ukrainer und ihre westeuropäischen »Willigen« die brutalen, gewaltsamen Realitäten der russischen Kriegführung akzeptieren und sich ihnen unterordnen – so schmerzhaft dies für die Ukrainer auch sein mag. Je eher dies geschieht, desto besser.
Die Lösung dieses Problems gibt es schon lange; es gab sie schon vor Beginn des Krieges. Und je länger man zögert, umso schlimmer wird die Lage für die Ukraine. Damals aber glaubten die Mächtigen der NATO mit den USA an der Spitze und die EU noch an die Chance, das geschwächte Russland in die Schranken weisen zu können. Mit den seit Jahren mehr oder minder mit dem russischen Volk zerstrittenen Ukrainern hofften sie auf einen billigen Erfolg über den alten Erbfeind und taten alles, um sich diese Aussicht nicht entgehen zu lassen. Sie machten dem unerfahrenen ukrainischen Präsidenten klar, dass er mit ihrer Hilfe des Sieges sicher sein könne und torpedierten das Verhandlungsergebnis von Istanbul im Frühjahr 2022.
Seither versuchen vor allem die westeuropäischen Staaten – mit unterschiedlicher Beteiligung im einzelnen – diesen Kurs beizubehalten. Jene, die damit vor allem das Ziel verfolgen, ihre erheblichen innenpolitischen Probleme zu verdecken, tun dies mit besonderem Eifer – Frankreich, Großbritannien, Italien und nicht zuletzt Deutschland. Noch mag sich zum Beispiel Bundeskanzler Friedrich Merz damit brüsten, wie gewieft er doch gegenüber Trump auftrete; am Ende wird vor allem er jene gewaltige Zeche zahlen, die die USA von ihm verlangen – und er wird hinsichtlich der Ukraine nichts dafür erhalten.
Was in den Erklärungen der beteiligten Regierungen fast gar nicht vorkommt und doch zugleich erfolgversprechende Wege zum Frieden für und in der Ukraine weist, was vor allem in den regierungstreuen Medien mit immer den gleichen Personen und ihren immer aberwitzigeren Erklärungen, die nichts als Verwirrnis und Verunsicherung hervorrufen, sind Meinungen und Auffassungen politischer und wissenschaftlicher Experten, die sich seit langem mit der Problematik beschäftigen und Wege zum Frieden weisen, die zwar immer komplizierter und für die Ukraine bedrohlicher dargestellt werden, was aber an ihr und ihren Adepten liegt.
Es gibt das Manifest »Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung« der SPD, an dem außer Ralf Stegner auch Rolf Mützenich, Gernot Erler, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Julian Nida-Rümelin und viele andere mitwirkten. Es gibt Erklärungen anderer Politiker wie Matthias Platzeck, ehemals brandenburgischer Ministerpräsident und SPD-Bundesvorsitzender, Ronald Pofalla, ehemaliger Chef des Bundeskanzleramts, oder Stephan Holthoff-Pförtner, CDU-Europaminister unter Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen. Es gibt hochrangige Erläuterungen führender Bundeswehrgeneräle wie von Harald Kujat, der als Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr und Ex-Chef des NATO-Verteidigungsrates sich für Abkommen mit den Russen aussprach, oder Erich Vad, Ex-Brigadegeneral, der mit Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer eine Massendemonstration für eine Verständigung mit Russland organisierte. Und es gibt zahlreiche Wissenschaftler, die mit ihren Publikationen einen ebensolchen Weg begründen.
Der Journalist Marcus Klöckner und der amerikanische Historiker Marc Trachtenberg haben unter dem Titel itel »Chronik eines angekündigten Krieges. Die Ukraine und das Versagen der Diplomatie« unmissverständlich die politischen Entwicklungen analysiert, die den Krieg herbeigeführt haben. Hartmut Rosa, einer der international renommiertesten Soziologen, sieht in der aktuellen sicherheitspolitischen Ausrichtung gegenüber Russland grundlegende Veränderungen der politischen Weltlage. Die Autorin Daniela Dahn formuliert in ihrer Publikation »Der Schlaf der Vernunft« den Auftrag, sich mit seinem Wissen in den Dienst einer friedlichen, auf Gemeinwohl ausgerichteten Ordnung zu stellen. Sie kritisiert die teils völlig irrationalen russophoben Angstszenarien. Auch Peter-Alexis Albrecht und Herwig Roggemann haben in ihrem Buch »Die Ukraine im zerstörerischen Zugriff globaler Machtpolitik« ihre Erfahrungen dargelegt.
»Gefangen zwischen der Einflusszone des Westens und den Sicherheitsinteressen Russlands wurde aus dem Streben nach einem eigenen Weg ein Überlebenskampf im Windschatten der Blocklogik – ein Abstieg, der sich als zivilisatorischer Verfall erweist, weil er nicht nur zu unermesslichen Opfern auf allen Seiten führt, sondern ganze Generationen entmutigt.« heißt es da. Und weiter: »Eine europäische Friedensordnung ist nur dann glaubwürdig, wenn sie auch Russland einbezieht. Der Versuch, durch NATO-Erweiterung und wirtschaftliche Einflusssphären Russland zu isolieren, hat das Gegenteil bewirkt: Misstrauen, Aufrüstung, Krieg.«
Ausgehend von Otto von Bismarck und dessen Prinzip »Mit Russland niemals Krieg!«, also »einer nüchternen Friedenspolitik, »die Deutschland zweimal missachtete – und zweimal dramatisch unterging«. Das bedeute nicht, Unrecht zu relativieren. »Es bedeutet, in der Suche nach politischer Stabilität nicht auf moralische Selbstgewissheit zu bauen, sondern auf Strukturen des Vertrauens für ein ökonomisches und kulturelles Miteinander – und auf Institutionen, die gemeinsame Interessen sichtbar machen, nicht nationale Narrative zementieren.« Und auch: »Die Ukraine ist in diesem Prozess keine bloße Bühne, sondern Prüfstein für die moralische und geopolitische Reife Europas.«
Von all diesen Experten kann man in unserer Öffentlichkeit nur wenig lesen oder hören; selbst ein sich als unabhängig bezeichnendes Lexikonwerk wie Wikipedia vergisst dabei seine Glaubwürdigkeit, indem es fast all diese Namen verschweigt und sich zu 99 Prozent nur auf die erwünschten, weil regierungsamtlich und medial bevorzugten »Experten« bezieht. Warum, so fragt man sich, werden all diese zutreffend recherchierten, an der Wirklichkeit erprobten Meinungen als »Putin-Versteherei« abgetan und permanent ignoriert?
Geopolitisch und ökonomisch hat die Ukraine für eine neutralisierte Mittelstellung zwischen den Blöcken günstige Voraussetzungen. »Die Russische Föderation und die Ukraine hätten die Chance, der Welt zu demonstrieren, dass Menschen aus gemeinsamer Vergangenheit und Verbundenheit, aber auch aus vergangener Verstrickung mehr schaffen können, als neue Konflikte auf kriegerische Dauer zu stellen.« Albrecht erinnert daran, dass schon drei Mal seit 1812 Russland von Westeuropa und insbesondere von Deutschland militärisch angegriffen worden ist. »Die Opferbilanz ist erdrückend. 1812 gab es durch Napoleon 2 Millionen Tote und Moskau brannte. Ab 1914 waren es 7 Millionen und ab 1941 25 Millionen Tote der Länder der UdSSR. Die Angst vor einem vierten Einmarsch in Russland kann man der russischen Volksseele nicht absprechen.«
Und das ist die Bilanz: »Die aufgeführten Problemlagen im Krieg zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine gehören in einen internationalen Friedensvertrag der gesamten Region, der von der Russischen Föderation, der Ukraine, der EU und den USA überfällig anzugehen ist. Leider ist das erst durch die Pression eines kriegerischen Einmarsches der europäischen und der Weltöffentlichkeit bewusstgemacht worden.« Über die Gründe dafür müssen alle Beteiligten streiten, offen und ehrlich.