Heinz Fromm und der Dienst nach ideologischer Vorschrift

(pri) Wie die Katze um den heißen Brei schleichen fast alle, vom Innenminister über die Parlamentarier der Geheimdienst-Kontrollkommission, die Parteipolitiker verschiedener Färbung und nicht zuletzt fast einhellig der Journalismus mit seinen fragwürdigen Schlapphut-Experten, um das naheliegende Motiv der behördlichen Nachsicht gegenüber den Umtrieben rechtsextremer Einzeltäter und Organisatoren – nämlich jene Ideologie, nach der von rechts für die im Wesen konservativ verfasste Bundesrepublik allemal weniger Gefahr ausgeht als von links und man deshalb mit Rechtsextremisten auch schon mal kooperieren kann, während jede auch nur radikale linke Regung kompromisslos zu bekämpfen ist.

Nur vor dem Hintergrund eines solchen ideologisch geprägten Denkens ist erklärbar, dass auf der einen Seite Führungsleute rechtsextremer Parteien und Organisationen – via V-Mann-Status – mit beträchtlichen Geldmitteln versorgt werden, um sie ruhig zu stellen, während auf der anderen Seite zum Beispiel linke Bundestagsabgeordnete vom Verfassungsschutz akribisch bespitzelt und überwacht werden. Dass ein Bundesinnenminister (Wolfgang Schäuble, CDU) sogar gegen den dringenden Rat seines obersten Verfassungsschützers die Beobachtung des Rechtsextremismus zurückfährt, um den Linksextremismus besser bekämpfen zu können – eine Fehlentscheidung, die erst kürzlich stillschweigend wieder kassiert wurde. Nur deshalb ist auch erklärbar, dass sämtliche Amtsträger vom Bundesinnenminister Schily (SPD) über Länderinnenminister wie jene in Hessen und Bayern bis hin zu Aufklärern und Polizisten keine Sekunde ernsthaft einen rechtsterroristischen Hintergrund für die Mordserie an zehn Bürgern dieses Landes, davon neun mit ausländischen Wurzeln, in Betracht zogen, sondern bis ins Absurde das andere gängige Feindbild hierzulande bemühten, den Islamismus einschließlich Ausländerkriminalität. Und nur diese ideologischen Scheuklappen erklären auch, dass die Aufklärung der Verstrickung deutscher Geheimdienste in die NSU-Mordserie bis heute nicht recht vorankommt, denn Verdachtsmomente, Indizien, Beweise wurden nie so ernst genommen, dass man sie ordnungsgemäß registrierte, analysierte und zusammenführte. Vergleicht man diese klammheimliche Kumpanei mit Terroristen rechter Gesinnung mit der gewaltigen Polizei- und Justizmaschinerie, die gegen die linksterroristische RAF eingesetzt wurde, belegt dies einmal mehr die ideologischen Denkmuster, die hier obwalteten.

Solche Argumentation wird gern mit dem Totschlagsargument »Verschwörungstheorie« gekontert, was an der Sache jedoch vorbeigeht. Natürlich gibt es keine förmliche Verschwörung zwischen Rechtsterroristen und Sicherheitsbehörden; allerdings bedarf es dieser auch gar nicht. Das antilinke Denken, das – bezogen auf den Antikommunismus – schon der gewiss unverdächtige Thomas Mann als »Grundtorheit unserer Epoche« bezeichnet hatte, gehört gewissermaßen zum Grundkonsens des westdeutschen Nachkriegsstaates, anfangs noch untermauert von zahlreichen Amtsträgern mit NSDAP-Hintergrund und später im kalten Krieg ständig reproduziert. Dieses antilinke Denken bestimmt daher zwangsläufig auch die Atmosphäre in den meisten staatlichen Institutionen, vor allem aber den besonders ideologisch geschulten Sicherheitsorganen. Und selbst wenn dort jemand, wie dem jetzt zurückgetretenen Verfassungsschutz-Präsidenten Heinz Fromm, nachgesagt wird, die rechtsterroristische Gefahr nicht unterschätzt zu haben, nützt dies in einem solchen Apparat wenig – zumal dann, wenn solch ein »weißes Schaf« zugleich ein braver Beamter ist, der letztlich doch immer das tut, was ihm seine politischen Vorgesetzten vorschreiben.

So war Fromm pflegeleicht für wechselnde Innenminister mit unterschiedlichem Parteibuch – bis hin zum Opferlamm für das Versagen nicht so sehr einzelner Personen, sondern vielmehr eines Systems, das an seiner ideologischen Ausrichtung nichts zu ändern beabsichtigt. Und das deshalb auch künftig gegenüber dem Rechtsextremismus mit einer Nachsicht agieren wird, die gegenüber allem linken Engagement niemals in Betracht gezogen wird.

One Reply to “Heinz Fromm und der Dienst nach ideologischer Vorschrift”

  1. Der Antikommunismus gehört zur Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland von Anfang an bis heute. Als Frontstaat gegen den Staatssozialismus von 1949 bis 1990 erfolgte, neben dem intensiven wirtschaftlichen und militärischen Aufbau, auch der nachhaltig ideologische. Alle hohen Führungskräfte in Wirtschaft, Politik und Medien waren und sind von diesem Geist durchdrungen. Deshalb sind auch die Funktionalorgane der Sicherheitspolitik derartig ausgerichtet, nach dem Grundsatz: Die „Rechten“ stehen uns immer näher als die „Linken“, die unsere Existenzgrundlage, den Kapitalismus, überwinden wollen.

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